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April 30, 2020

BILBoard April 2020 – Gibt es eine Ruhe nach dem Sturm?

In der letzten Monatsausgabe von BILBoard haben wir unser angesichts der Coronavirus-Krise korrigiertes Basisszenario für 2020 vorgestellt. Kurz zusammengefasst erwarten wir im zweiten Quartal eine durch die staatlichen Maßnahmen verursachte schwere Rezession, die sich wahrscheinlich bis ins dritte Quartal hinein erstrecken wird. Danach dürften sich die Volkswirtschaften unter einem sturzflutartigen Schwall vom Konjunkturanreizen seitens der Regierungen und Zentralbanken sowie durch eine schrittweise Lockerung der Freizügigkeitsbeschränkungen zu stabilisieren beginnen. Ein solches Basisszenario ist natürlich mit Vorsicht zu betrachten, da es eine derartige Krise bislang noch nie gegeben hat.

Makroökonomischer Ausblick: Im zweiten Quartal erwartet uns der große Einbruch

Während
die Regierungen darüber nachdenken, wie sie ihre Volkswirtschaften wieder in
Gang bringen, gelten für einen Großteil der Weltbevölkerung noch
Ausgangsbeschränkungen. Bald werden sich die Folgen der Krise in vollem Ausmaß
in den makroökonomischen Daten niederzuschlagen beginnen, und wir rechnen
damit, dass der Konjunkturrückgang im Mai sein höchstes Tempo erreicht. Die
bruchstückhaften Informationen, die uns heute bereits vorliegen, verheißen
nichts Gutes. Die Einkaufsmanagerindizes sind eingebrochen und spiegeln die
verheerenden Auswirkungen auf Nachfrage und Wirtschaftstätigkeit wider. Dies
bekommt vor allem der Dienstleistungssektor zu spüren, da an Tourismus und die
Nutzung von Freizeitangeboten auf absehbare Zukunft nicht zu denken ist. Bis
jetzt wurde der Konsumrückgang durch den Lebensmitteleinkauf und Hamsterkäufe
abgefedert. Dieser Effekt dürfte jetzt nachlassen, und dann wird aus den
anstehenden Datenveröffentlichungen das echte Ausmaß des Nachfrageschocks
ersichtlich werden.

Niemand kann absehen, wie schlimm es tatsächlich
wird, denn es hat im Laufe der Geschichte noch keine vergleichbaren Ereignisse
gegeben. Professor Yossi Sheffi vom MIT spricht
diesbezüglich vom „Anna-Karenina-Prinzip“ und erklärt, angelehnt an Tolstoi,
dass sich zwar alle gut laufenden Volkswirtschaften gleichen, jede nicht gut
laufende Volkswirtschaft jedoch ihre eigenen Probleme hat. Betrachtet man die
aktuelle Lage, die von einem gleichzeitigen Angebots- und Nachfrageschock,
Liquiditätsengpässen und einer Gesundheitskrise gekennzeichnet ist, könnten wir
empirische Beispiele aus der Zeit der Spanischen Grippe, der
Weltwirtschaftskrise, von 2008 oder selbst aus Chinas Erfahrungen mit dem
Coronavirus heranziehen. Der Nutzen eines solchen Modells wäre jedoch
angesichts der unterschiedlichen sozialen, wirtschaftlichen, technologischen
und politischen Rahmenbedingungen begrenzt. Jeder Wirtschaftseinbruch ist
anders und jeder zieht seinen eigenen Rattenschwanz an Auswirkungen nach sich.
Das bedeutet, dass wir es mit „bekannten Unbekannten“ und „unbekannten
Unbekannten“ zu tun haben – und aufgrund Letzterer könnte sich jeder
Versuch einer Prognose als zwecklos erweisen.

Angesichts
der quasi „bedingungslosen“ Unterstützung seitens Regierungen und Zentralbanken
sind das Verhalten und epidemiologische Faktoren die „bekannten Unbekannten“.
Ein Wiederaufschwung der Wirtschaft nach dem Ende der Quarantäne hängt vom
Verhalten der Verbraucher und Unternehmen ab. Wird sich die
Verbrauchernachfrage wieder erholen? Wir rechnen mit einer gewissen Trägheit
der Daten, da die Ausgangssperren schrittweise gelockert werden, um eine zweite
Infektionswelle zu verhindern. Zudem wird die steigende Arbeitslosigkeit den
Konsum belasten. Trotz fiskalpolitischer Versuche, Entlassungen einzudämmen
(wie dem US CARES Act oder dem SURE-Programm der EU), trennen sich
die Unternehmen von Personal. 26 Millionen US-Amerikaner haben
Arbeitslosenunterstützung beantragt (dadurch dürfte die Arbeitslosenquote für
April, die am 8. Mai veröffentlicht wird, kräftig in die Höhe schnellen).
Es bleibt abzuwarten, ob die Unternehmen wieder Mitarbeiter einstellen.

Die
wichtigsten Unbekannten aus epidemiologischer Sicht sind eine mögliche
Beschleunigung der Neuinfektionen, die effiziente Durchführung von Tests sowie
deren Einsatz und letztlich die Zeit, die bis zur Verfügbarkeit eines
Impfstoffs und flächendeckender Behandlungsmöglichkeiten vergeht. Betrachtet
man ausschließlich die „bekannten Unbekannten“ und die Basiseffekte, dann
halten wir es für unwahrscheinlich, dass das BIP vor 2022 wieder seinen Stand
vom Dezember 2019 erreicht.

Aktien

Ein
Ausblick auf das zweite Quartal ähnelt zwar dem Blick in ein schwarzes Loch.
Doch die Aktienkurse scheinen die derzeitige Unsicherheit übersprungen zu haben
und setzen offenbar bereits zu einer V-förmigen Erholung an. Der aktuelle
Wiederanstieg um rund 25 % gründet sich offenbar auf eine Mischung aus
Spekulation, Hoffnungen und Twitter-Nachrichten anstatt auf handfestere Daten.
Auch wenn wir früher argumentiert haben, dass sich die Märkte lange vor der
Wirtschaft erholen werden, ist dieser Kursanstieg vielleicht etwas verfrüht.

Gleichzeitig
stufen Analysten derzeit schnell die Gewinnerwartungen herunter, die sich damit
entgegengesetzt zu den Kursen entwickeln, was für leicht angespannte
Bewertungen sorgt (wir haben jetzt das Niveau vom Februar erreicht, bevor die
Krise richtig ins Rollen kam). Die Berichtssaison selbst wird wohl keine große
Wende bringen, denn die Unternehmen verzichten auf die Veröffentlichung von
Prognosen. Wir wären überrascht, wenn bei einer derartigen Unsicherheit die
Volatilität nicht wieder aufflammen würde.

Bis
mehr Klarheit herrscht, behalten wir unsere neutrale Positionierung am
Aktienmarkt bei, denn wir sind mit dem Korb handverlesener
Qualitätsunternehmen, die wir vor Ostern in unser Portfolio aufgenommen haben,
zufrieden. Dieser Korb beinhaltet kapitalstarke Unternehmen mit gesunden
Bilanzen und geringer Verschuldung, die gut für das stürmische zweite Quartal
gerüstet sind. Regional betrachtet liegt unser Schwerpunkt weiterhin auf den
USA, wo es langfristig mehr Wachstumschancen gibt, während in Europa
Substanzwerte dominieren. Überdies halten wir an einer ganz leichten
Übergewichtung von Schwellenländern fest (vor allem von China, das nun seine
Wirtschaft langsam wieder hochfährt, nachdem die Pandemie dort unter Kontrolle
gebracht wurde).

Festverzinsliche Anlagen

Derzeit
werden festverzinsliche Anlagen jeglicher Art direkt oder indirekt von den
Zentralbanken gestützt. Erneute Verpflichtungen seitens der EZB und der Fed
änderten die Voraussetzungen an den Märkten – die Anleger kehrten in
großer Zahl zurück und am Markt für Neuemissionen herrscht wieder ein reges Treiben.
Diese beiden Zentralbanken kaufen massenhaft Unternehmensanleihen auf, selbst „Fallen
Angels“, d. h. Investment-Grade-Titel, die auf Junk-Status herabgestuft
wurden.

Im
Staatsanleihensegment hat sich die Volatilität normalisiert, aber Anleger wägen
immer noch die Aussichten auf eine verstärkte Emissionstätigkeit gegenüber
wachsenden Haushaltsdefiziten ab. Das verdeutlicht, dass es immer wichtiger
wird, am Markt für Staatsanleihen aktiv zu werden. Wir haben die
Staatsanleihenpositionen, die uns als Puffer gegen das Aktienrisiko dienen,
bereits angepasst und von Staatsanleihen europäischer Peripherieländer in
Staatsanleihen europäischer Kernländer mit der gleichen Duration wie die
Benchmark umgeschichtet. Zudem verfügen wir über eine Auswahl
inflationsgebundener Anleihen, die sich als nützlich erweisen werden, falls
sich die Besorgnis über eine monetäre Staatsfinanzierung verstärken sollte.

Unsere
Übergewichtung von Investment-Grade-Anleihen behalten wir bei. Da die
Zentralbanken den Liquiditätsabfluss im März eingedämmt haben, bieten
hochwertige Unternehmenstitel jetzt solide Anlagemöglichkeiten. Nachdem wir
letzten Monat Vermögen in US-Schatzwechsel umgeschichtet hatten, verfahren wir
mit unseren Positionen in Unternehmensanleihen jetzt ebenso: Wir haben
europäische Anleihen gegen US-Anleihen ausgetauscht, sodass jetzt rund
20 % unserer Gesamtallokation für Unternehmensanleihen in
US-amerikanischen, gegenüber dem Euro abgesicherten Investment-Grade-Titeln
steckt. Natürlich wird der europäische Anleihemarkt von der EZB unterstützt,
doch die Unterstützung der Fed fällt noch stärker aus, denn die US-Notenbank
ist sogar zum Kauf hochverzinslicher ETFs bereit. Dadurch, dass die Fed die
Rolle eines Marktpflegers übernimmt, hat die Gesamtrendite für US-amerikanische
Investment-Grade-Titel seit Jahresbeginn wieder ins Positive gedreht, während
der Rückgang der Investment-Grade-Spreads in Euro zögerlicher vonstattengeht.

Obwohl
die Zentralbanken beiderseits des Atlantiks in den oberen Bereichen der Märkte
für Hochzinsanleihen als Käufer auftreten (die EZB kauft
„Fallen Angels“ nicht direkt, sondern akzeptiert sie nur als Sicherheit bei
Repo-Geschäften), meiden
wir dieses Segment, da die Risiken unserer Meinung nach unzureichend honoriert
werden. Ebenso zögerlich sind wir bei Schwellenländeranleihen. In beiden Fällen
begründet sich diese Haltung durch den Ölpreis, der ein historisch niedriges
Niveau erreicht hatund die Terminpreise sich sogar schon im negativen Bereich
bewegten. Energieunternehmen bilden einen großen Teil des US-Marktes
für Hochzinsanleihen, und für zahlreiche Schwellenländerregionen ist Öl ein
wichtiges Exportgut.

Insgesamt sollten Sie sich keine Illusionen machen: Wir sind noch nicht aus dem Schneider. Angeblich blühen im Mai die Blumen, wenn es im April regnet, doch neben dem, was uns künftig erwartet, werden die beunruhigenden Daten aus dem aktuellen Monat wahrscheinlich verblassen. Wir müssen besonnen, überlegt und logisch vorgehen, um dieses turbulente Anlageumfeld zu meistern, und dürfen unsere langfristigen Anlageziele nicht aus den Augen verlieren. Um Tolstoi noch einmal zu bemühen: „Die zwei mächtigsten Krieger sind Zeit und Geduld.“

Einschätzung: Gibt an, ob wir die Anlageklasse positiv, neutral oder mit Skepsis beurteilen | Änderung: Gibt an, wie sich unser Engagement seit der Sitzung des Ausschusses für Vermögensaufteilung im Vormonat verändert hat

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