Choose Language
June 30, 2020
BILBoard Juni 2020: Zuckerrausch
Die realen Wirtschaftsdaten untermauern allmählich die wirtschaftliche Stabilisierung, porträtiert durch die Meinungsumfragen. Die ersten Anzeichen einer Erholung untermauern allmählich die durch Meinungsumfragen abgebildete wirtschaftliche Stabilisierung und lassen hoffen, dass die tiefste Rezession seit den 1930er-Jahren auch die kürzeste sein könnte. Doch die Märkte klammern sich vielleicht zu fest an diese Hoffnung und preisen ein Erholungsmodell an, das im Widerspruch zu den aktuellen Fundamentaldaten steht.
In letzter Zeit
tendierten die makroökonomischen Daten, dank der beständigen Unterstützung
durch Regierungen und Zentralbanken, in die richtige Richtung. In den USA haben Unternehmen
Wiedereinstellungsprogramme eingeleitet, die Räder der Fabriken drehen sich
wieder und Verbraucher strömen wieder in die Einkaufszentren. Einzelhandelsumsätze stiegen mit erheblicher, aber
wahrscheinlich nicht haltbarer Geschwindigkeit (+17,7 % statt der
erwarteten +8,4 %). Beim Staatshaushalt scheint ein weiteres
Konjunkturpaket mit einem Volumen von mindestens 1 Billion US-Dollar in
Vorbereitung zu sein, um der Wirtschaft kurzfristig eine weitere Konjunkturspritze zu geben. In Europa legen Meinungsumfragen und hochfrequente Daten wie Online-Verkehr und
Kundenfrequenz nahe, dass der schlimmste Teil des Abschwungs hinter uns
liegt und Deutschland die Erholung seit Mai
anführt. Auf dem Kontinent muss ein
Konjunkturpaket (im vorgeschlagenen Umfang von 750 Mrd. EUR, davon 500 Mrd. EUR an Beihilfen und 250 Mrd. EUR an Krediten) allerdings von den Mitgliedstaaten erst
noch genehmigt werden.
Die
Verbesserungen beziehen sich auf eine sehr niedrige Ausgangsbasis. Bei
absoluter Betrachtung sind die Daten aber immer noch schwach. Es könnte bis zum
dritten oder vierten Quartal dieses Jahres dauern, bis sich die Erholung
etabliert, und wir gehen nicht davon aus, dass in der COVID-Krise verloren
gegangenes Vermögen vor Ende 2021 vollständig wieder zurückgewonnen werden kann
(eine häkchenförmige Erholung (✓) im Gegensatz zu der von Vielen
erwarteten V-förmigen Rückkehr zu Normalität). Es gibt natürlich Risiken für
unser Basisszenario: in erster Linie eine zweite Infektionswelle (neue
Infektionsherde gab es in Peking, Chennai und verschiedenen US-Bundesstaaten)
und dann geopolitische Spannungen. Donald Trump sagte jüngst, dass eine
Entkopplung der chinesischen und der US-Wirtschaft noch nicht vom Tisch sei,
und derartige Äußerungen könnten sich im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im
November noch zuspitzen. Es gibt auch Aufwärtsrisiken: eine schneller als
erwartete Verfügbarkeit eines Impfstoffs oder die schnelle Eindämmung neuer
Ausbrüche. Unter Abwägung beider Seiten der Gleichung bleiben wir vorerst
risikoneutral.
Aktien: überzuckerte Rally
Vor
dem Hintergrund unseres Basisszenarios bleiben wir gegenüber Aktien kurzfristig
bei einer neutralen Haltung, stehen der Anlageklasse aber mittel- bis
langfristig eher skeptisch gegenüber. Die jüngste Rally lässt sich mit einer
Crème Brûlée vergleichen. Sie ist verlockend, aber man muss nur einmal auf die
Oberfläche klopfen, um festzustellen, dass es darunter weich und glitschig ist.
Die extremen Bewertungen, die ein weltweites Gewinnwachstum im Jahr 2021 von
etwa 30 % implizieren, haben keine feste Grundlage. Die makroökonomischen
Daten müssen sich noch erheblich verbessern, um diesen Erwartungen gerecht zu
werden und eine derart beeindruckende Erholung der Gewinne zu ermöglichen. Die
entscheidenden Komponenten des Aufstiegs von Aktien sind die Stimmung und die
Konjunkturanreize. Ersteres ist fragil und Letzteres sorgt zwar auf kurze Sicht
für Unterstützung, kann aber nicht ewig andauern. Bei regionaler Betrachtung
machen US-Titel den größten Teil unseres Aktienengagements aus, während wir in
Japan neutral positioniert und in Europa und den Schwellenländern
untergewichtet sind.
Zuletzt
waren abrupte Wechsel an der Führungsspitze der Sektoren zu beobachten, während
die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern innerhalb der Sektoren groß ist.
Erwähnenswert ist, dass die Rally von Value-Titeln bei Small Caps
offensichtlich zum Teil (oft wankelmütigen) Kleinanlegern zuzuschreiben ist,
die kostenlose Trading-Apps nutzen. Zurzeit meiden wir starke Sektorengagements und ziehen
es vor, Qualitätstitel aus unterschiedlichen Sektoren auszuwählen (Unternehmen
mit geringer Verschuldung, hohen Cashflows usw.).IT und Gesundheitswesen
scheinen am besten gerüstet zu sein, um einen Abschwung zu überstehen, während
sie gleichzeitig überzeugende langfristige Wachstumsperspektiven zu bieten
haben.
Festverzinsliche Anlagen: Anreiz-Häubchen
Festverzinsliche Anlagen
profitieren von zusätzlicher Unterstützung durch die Zentralbanken. Bei der
US-Notenbank herrscht ein sehr starker Konsens
darüber, dass die Leitzinsen für längere Zeit auf unverändert niedrigen Niveaus
bleiben, während sie im Rahmen der quantitativen Lockerung neben den etwa 5,5
Mrd. USD an Anleihen-ETFs, die sie seit März gekauft hat, nun auch einzelne
Titel für Käufe ins Visier nimmt. Sie
wird Investment-Grade-Papiere und gefallene Engel mit Laufzeiten unter fünf Jahren kaufen und sich dabei an
die selbst auferlegten Obergrenzen halten. Sie darf nicht mehr als 10 %
aller umlaufenden Anleihen eines Unternehmens kaufen, und keine Position darf
mehr als 1,5 % des Programms ausmachen.
Bei Staatsanleihen sind Anleger zwischen den
Aussichten auf mehr Emissionen und große künftige Haushaltsdefizite und der
Fähigkeit der Zentralbanken, die Anleihen zu absorbieren und die Zinsen niedrig
zu halten, hin- und hergerissen. Nur zur Veranschaulichung sei erwähnt, dass
US-Treasuries ein Rekordemissionsvolumen erreicht haben, das dreimal so hoch
ist wie das in der Krise von 2008. Dennoch ist die Politik der Zentralbank klar
und sie hält an niedrigen Zinsen fest, während die Inflation kurzfristig wohl
kaum Aufwärtsdruck auf die
Zinssätze ausüben wird. Eine stärkere Erholung der Wirtschaft könnte die
Zinssätze zwar in die Höhe treiben, würde dabei aber auch den Bedarf an
haushaltspolitischen Anreizen verringern. In Europa wird das Nettoangebot an
deutschen Bundesanleihen im Jahr 2020 trotz erhöhter Emissionen voraussichtlich
immer noch im negativen Bereich liegen. Wir halten in unseren Profilen mit
mittlerem und hohem Risiko eine Komponente von Staatsanleihen, die in erster
Linie das Aktienrisiko mindern soll, und sind bei der Duration neutral
positioniert.
Investment-Grade-Papiere befinden sich nach wie vor im Sweetspot, und wir
sind in dieser Anlageklasse übergewichtet. Die Spreads haben sich wieder
verengt, sind aber immer noch recht weit. Sollte es zu einer zweiten COVID-Welle
kommen, könnten sie sich wieder ausweiten, aber die starke Unterstützung durch
die Zentralbanken beiderseits des Atlantiks bildet ein solides Auffangnetz. Die
Liquidität verbessert sich, und es gibt starke Kapitalflüsse, aber ein
erheblicher Betrag an Barmitteln verharrt noch in Wartestellung.
Das High-Yield-Segment (HY) profitiert von der ungewollten Unterstützung
durch die Zentralbanken, während IG-Anleger auf der Suche nach höherer Rendite
wieder aus ihrer Komfortzone in Richtung HY gedrängt werden. HY ist im Umfeld
politischer Unterstützung in Relation zu den höheren Erwartungen von Ausfällen
fair bewertet. Wir haben jedoch nur ein sehr geringes Engagement, da wir zum
jetzigen Zeitpunkt keine zusätzlichen Risiken eingehen wollen. Wir
bevorzugen in dieser Anlageklasse Qualitätstitel und gefallene Engel.
Die Schwellenländer befinden sich im Auge des COVID-Sturms, wobei
Lateinamerika zum neuen Epizentrum wird und China erneut Lockdowns verhängen
muss, um eine zweite Welle einzudämmen. Daher ergibt sich für
Schwellenländeranleihen weiterhin ein problematisches Bild, und wir bleiben
untergewichtet.
Alles in allem lassen wir in diesem Monat im Hinblick auf unsere Vermögensallokation Vorsicht walten, da wir befürchten, dass sich die positive Stimmung, die Aktien weiter steigen lässt, rückblickend als ein Zuckerrausch erweisen wird. Wir warten überzeugendere Wirtschaftsdaten ab, bevor wir wieder einlenken, und geben der Robustheit der Portfolios im derzeitigen Umfeld oberste Priorität.
Disclaimer
All financial data and/or economic information released by this Publication (the “Publication”); (the “Data” or the “Financial data
and/or economic information”), are provided for information purposes only,
without warranty of any kind, including without limitation the warranties of merchantability, fitness for a particular
purpose or warranties and non-infringement of any patent, intellectual property or proprietary rights of any party, and
are not intended for trading purposes. Banque Internationale à Luxembourg SA (the “Bank”) does not guarantee expressly or
impliedly, the sequence, accuracy, adequacy, legality, completeness, reliability, usefulness or timeless of any Data.
All Financial data and/or economic information provided may be delayed or may contain errors or be incomplete.
This disclaimer applies to both isolated and aggregate uses of the Data. All Data is provided on an “as is” basis. None of
the Financial data and/or economic information contained on this Publication constitutes a solicitation, offer, opinion, or
recommendation, a guarantee of results, nor a solicitation by the Bank of an offer to buy or sell any security, products and
services mentioned into it or to make investments. Moreover, none of the Financial data and/or economic information contained on
this Publication provides legal, tax accounting, financial or investment advice or services regarding the profitability or
suitability of any security or investment. This Publication has not been prepared with the aim to take an investor’s particular investment objectives,
financial position or needs into account. It is up to the investor himself to consider whether the Data contained herein this
Publication is appropriate to his needs, financial position and objectives or to seek professional independent advice before making
an investment decision based upon the Data. No investment decision whatsoever may result from solely reading this document. In order
to read and understand the Financial data and/or economic information included in this document, you will need to have knowledge and
experience of financial markets. If this is not the case, please contact your relationship manager. This Publication is prepared by
the Bank and is based on data available to the public and upon information from sources believed to be reliable and accurate, taken from
stock exchanges and third parties. The Bank, including its parent,- subsidiary or affiliate entities, agents, directors, officers,
employees, representatives or suppliers, shall not, directly or indirectly, be liable, in any way, for any: inaccuracies or errors
in or omissions from the Financial data and/or economic information, including but not limited to financial data regardless of the
cause of such or for any investment decision made, action taken, or action not taken of whatever nature in reliance upon any Data
provided herein, nor for any loss or damage, direct or indirect, special or consequential, arising from any use of this Publication
or of its content. This Publication is only valid at the moment of its editing, unless otherwise specified. All Financial data and/or
economic information contained herein can also quickly become out-of- date. All Data is subject to change without notice and may not be
incorporated in any new version of this Publication. The Bank has no obligation to update this Publication upon the availability of new data,
the occurrence of new events and/or other evolutions. Before making an investment decision, the investor must read carefully the terms and
conditions of the documentation relating to the specific products or services. Past performance is no guarantee of future performance.
Products or services described in this Publication may not be available in all countries and may be subject to restrictions in some persons
or in some countries. No part of this Publication may be reproduced, distributed, modified, linked to or used for any public or commercial
purpose without the prior written consent of the Bank. In any case, all Financial data and/or economic information provided on this Publication
are not intended for use by, or distribution to, any person or entity in any jurisdiction or country where such use or distribution would be
contrary to law and/or regulation. If you have obtained this Publication from a source other than the Bank website, be aware that electronic
documentation can be altered subsequent to original distribution.
As economic conditions are subject to change, the information and opinions presented in this outlook are current only as of the date
indicated in the matrix or the publication date. This publication is based on data available to the public and upon information that is
considered as reliable. Even if particular attention has been paid to its content, no guarantee, warranty or representation is given to the
accuracy or completeness thereof. Banque Internationale à Luxembourg cannot be held liable or responsible with respect to the information
expressed herein. This document has been prepared only for information purposes and does not constitute an offer or invitation to make investments.
It is up to investors themselves to consider whether the information contained herein is appropriate to their needs and objectives or to seek advice
before making an investment decision based upon this information. Banque Internationale à Luxembourg accepts no liability whatsoever for any investment
decisions of whatever nature by the user of this publication, which are in any way based on this publication, nor for any loss or damage arising
from any use of this publication or its content. This publication, prepared by Banque Internationale à Luxembourg (BIL), may not be copied or
duplicated in any form whatsoever or redistributed without the prior written consent of BIL 69, route d’Esch ı L-2953 Luxembourg ı
RCS Luxembourg B-6307 ı Tel. +352 4590 6699 ı www.bil.com.
Read more
More
October 21, 2024
Weekly InsightsWeekly Investment Insights
During the autumn months, bears all over the world prepare for their winter hibernation. The market bears appear to already be asleep, with the...
October 15, 2024
BILBoardBILBoard November 2024 – Beyond the U...
The race for the US Presidential election on November 5 is heating up, but business activity is essentially frozen given the uncertain outcome and...
October 11, 2024
Weekly InsightsWeekly Investment Insights
Hurricanes caused widespread damage last week. In the US, Florida residents rushed to evacuate ahead of Hurricane Milton, which followed closely on the heels...
October 4, 2024
Weekly InsightsWeekly Investment Insights
Comments from central bankers toyed with both currencies and rate markets over the past week. The Fed Chair Powell said that the US central...
September 30, 2024
Weekly InsightsWeekly Investment Insights
Autumn is in full swing and with the change of season came a turnabout announcement that was noticed in all corners of the market. Beijing’s...