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September 28, 2020

BILBoard September 2020 – Weckruf für die Wirtschaft

Der September ist unter
Marktteilnehmern gewöhnlich kein sehr beliebter Monat. Und so begann er dann
auch mit heftigen Bewegungen und einer Korrektur des technologielastigen
Nasdaq. Den Grund für diese Entwicklung sahen wir nicht in einer
Verschlechterung der fundamentalen Aussichten. Für uns war dies eher ein
technisch bedingter Rückgang, der auf Gewinnmitnahmen und ein ganz normales
Verhalten der Anleger zurückzuführen war. Tatsächlich hatten US-Aktien bereits
eine wechselhafte Zeit hinter sich: Durch die COVID-19-Krise waren sie zunächst
auf Tiefststände gesunken, schossen dann aber wieder in die Höhe und
überstiegen ihre Höchststände aus der Zeit vor der Pandemie. Die Bewertungen
(vor allem von Technologiewerten und Titeln, die von der Pandemie und den Ausgangsbeschränkungen
profitierten) wirkten dadurch extrem aufgebläht. Sie standen nicht mit der
gesamtwirtschaftlichen Lage im Einklang, deuteten sie doch an, dass die
Weltwirtschaft aus ihrem lockdown-bedingten Tiefschlaf erwachen und durch eine
großartige V-förmige Erholung gleichsam aus dem Stand kräftig zulegen würde. Es
ist bekanntlich nicht immer ganz einfach, die süße Schwere des Schlafs von sich
abzuschütteln; auch die Weltwirtschaft kehrt nur ganz langsam zur Normalität
zurück, und das auch nur dank einer belebenden Dosis Koffein in Form von geld-
und fiskalpolitischen Impulsen.

GESAMTWIRTSCHAFT

Unser Basisszenario, in dem wir von
einer allmählichen Erholung ausgehen, bleibt intakt. Wir rechnen hier
allerdings eher in Quartalen als in Monaten, und auch Rückschläge sind nicht
auszuschließen. Die US-Wahlen, der Brexit, der Streit zwischen den USA und
China und das Coronavirus sind nur einige der weiterhin bestehenden Risiken,
die die Aussichten beeinträchtigen könnten.

In den USA hat der Vorsitzende der
US-Notenbank (Fed), Jerome Powell, erklärt: „Die Erholung ist zügiger
vorangeschritten als allgemein erwartet.“ Er hat aber auch gewarnt: „Die
Aktivität ist noch immer deutlich schwächer als vor der Pandemie.“ Auch könne
sich das Tempo verlangsamen, da „nach wie vor höchst unsicher ist, wie sich die
Dinge entwickeln werden.“ Um die Wirtschaft zu stützen, hält die Fed an ihrem
moderaten Politikmix aus Anleihenkäufen, Erleichterung von Kreditaufnahmen und
extrem tiefen Zinssätzen (die gemäß dem aktualisierten Dot-Plot wohl bis 2023
bei 0 % bis 0,25 % liegen werden) fest. Der Inflationsdruck scheint
zwar zu wachsen, wird aber wahrscheinlich keine politische Kursänderung
auslösen. Die Fed wird künftig, entsprechend ihrem neuen Rahmen, wonach sie
eine „Durchschnittsinflation“ anstreben will, auch ein Übersteigen des
Inflationsziels dulden.

Erfreulich ist, dass die Fed ihre
Wachstumsprognosen nach oben korrigiert hat und nun einen Rückgang des
Bruttoinlandsprodukts um 3,7 % erwartet, während sie noch im Juni von
-6,5 % ausgegangen war. Die US-Notenbank prognostiziert, dass die
US-Wirtschaft gegen Ende 2021 auf Vorkrisenniveaus zurückkehren wird. Der
Fertigungssektor stürmt voran, und die Auftragseingänge für Gebrauchsgüter
lassen darauf schließen, dass sich die Unternehmensinvestitionen nach und nach
von ihrer Schockstarre erholen. Die Gewinne sinken aber immer noch (-15 %
im ersten Quartal, -8 % im zweiten Quartal), und damit die Margen der
Unternehmen auf frühere Niveaus zurückkehren, hängt in den USA vom Konsum ab.

Nach den Lockdowns verfielen die
Verbraucher auf der „Suche nach Glück“ fast in einen Kaufrausch. Seitdem
stagniert das Verbrauchervertrauen jedoch, was darauf hindeutet, dass das Geld
nicht mehr so locker sitzt. Verbraucher konsumieren nur dann ordentlich, wenn
der Arbeitsmarkt in einer guten Verfassung ist. Seit Februar wurden jedoch
11,5 Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Es überrascht daher nicht, dass
Vollbeschäftigung nun ein Schwerpunktziel für die Fed ist, die für 2020 eine
mittlere Arbeitslosenquote von 7,6 % erwartet, im Vergleich zur Prognose
von 9,3 % vom Juni.

Die fiskalpolitischen Maßnahmen
boten den privaten Haushalten und kleinen Unternehmen die so dringend benötigte
Unterstützung. Wahrscheinlich werden aber weitere Hilfen notwendig sein. Wann
und in welchem Umfang diese Hilfen kommen, ist jedoch angesichts des
Stillstands der Verhandlungen im US-Kongress weiterhin offen. Dass die
Leistungen bereits ausgelaufen sind, scheint die Wirtschaft bislang nicht zu
beeinträchtigen. Doch ohne weitere fiskalpolitische Unterstützung könnte sich
die aufgestaute Nachfrage einfach in nichts auflösen.

Europa scheint, was die Erholung der Wirtschaft
betrifft, erst einmal die Schlummertaste gedrückt zu haben. Aktuelle Daten
zeigen einen Rückgang der Dynamik im Industriesektor und enttäuschende
Konsumausgaben. Dies weckt Zweifel an der Nachhaltigkeit der anfänglichen
Erholung, zumal die Infektionszahlen und die Arbeitslosigkeit wieder nach oben
tendieren. Die Inflation ist auf dem Kontinent noch immer in einem Tiefschlaf.
Das macht es für die Europäische Zentralbank einfacher. Bei der letzten
geldpolitischen Sitzung beließ sie die Zinsen bei -0,5 % und sagte zu, ihr
wegen der Pandemie aufgelegtes Notfall-Kaufprogramm in Höhe von 1,35 Bio.
Euro wenigstens bis Juni 2021 laufen zu lassen.

Chinas Wirtschaft ist weniger
lethargisch und durch die Erholung so etwas wie ein Ausreißer, ist sie doch bei
der Aktivität ihren Vorkrisenniveaus näher als jede andere große
Volkswirtschaft. Nachdem Chinas Unternehmenssektor monatelang auf Erholungskurs
war, stimmen nun auch die chinesischen Verbraucher ein. Die
Einzelhandelsumsätze stiegen im August, zum ersten Mal in diesem Jahr, um
0,5 %. Zugleich sank die Arbeitslosenquote leicht von 5,7 % im Juli
auf 5,6 %. Die nachgebende Inflation bietet der Zentralbank mehr
Handlungsspielraum in nächster Zeit.

AKTIEN

Die Marktkorrektur hatte keine größeren Auswirkungen auf die
Aktienbewertungen, die nach wie vor hoch sind. Dies trifft insbesondere dann
zu, wenn man bedenkt, dass die Berichtssaison zwar besser verlaufen ist als
befürchtet, aber keinen nennenswerten Einfluss auf die Gewinnrevisionen hatte.
Tatsächlich sind die USA die einzige Region, in der es unter dem Strich (wenn
auch nur geringfügig) mehr positive als negative Korrekturen der
Gewinnerwartungen gab. Die USA bleiben einer unserer bevorzugten Märkte, auch
wenn sie die teuerste Region sind. Dies liegt daran, dass dort die namhaftesten
Wachstumsunternehmen, die von den Ausgangsbeschränkungen profitierten, sowie
digitale Vorreiter ansässig sind, die sich weiterhin gut entwickeln dürften,
solange das Virus weiter sein Unwesen treibt. In europäischen Aktien bleiben
wir untergewichtet, da diese schwächer abschneiden als der breitere Markt. Was
unser Engagement in den Schwellenländern angeht, wurden die Positionen
angepasst, um unsere Präferenz für chinesische Aktien abzubilden, die sich bei
der jüngsten Korrektur gut behauptet haben und von stärkeren Fundamentaldaten
gestützt werden. Andere Schwellenländer, darunter lateinamerikanische Länder
und Indien, kämpfen noch immer gegen die erste COVID-19-Welle.

Auf der Stilebene war die Rotation aus Growth- in Value-Aktien nur kurz
und in erster Linie auf die USA begrenzt. Aktuell erkennen wir keine klaren
Positivfaktoren, die eine nachhaltige Outperformance von Value-Aktien auslösen
könnten. Insgesamt ziehen wir
es aufgrund der breiten Streuung der Renditen vor, uns in diversen Sektoren
gezielt einzelne Qualitätsaktien herauszupicken. Zugleich behalten wir einige
Sektoren genau im Auge, in denen die Bewertungen günstiger oder die
Gewinnrevisionen positiv sind.

FESTVERZINSLICHE ANLAGEN

Die anhaltende Freigiebigkeit der Zentralbanken bläht
die Kurse von Staatsanleihen auf, und die Renditen scheinen – vorerst – stabil
zu sein. Dennoch halten wir in diesem Bereich am Engagement in
inflationsgebundenen Wertpapieren fest. Da aufgrund der fortgesetzten Erholung
eine höhere Inflation langfristig wahrscheinlich ist, dürften diese Papiere
weiter steigen.

Im Unternehmensbereich intensiviert sich die Jagd nach
Renditen. Die Ausweitung der Spreads ist nunmehr zu einem großen Teil wieder
ausgeglichen, und in nächster Zeit ist mit einer Seitwärtsbewegung zu rechnen:
Die Zentralbanken verhindern eine deutliche Ausweitung, während für eine
weitere Verengung ein bedeutender Impuls, etwa durch einen Impfstoff,
erforderlich wäre. Der negative Rating-Trend scheint im dritten Quartal einen
Wendepunkt erreicht zu haben. Hilfreich war dabei die starke Emissionstätigkeit
bei „universellen“ Anleihen, mit denen Unternehmen die Widerstandsfähigkeit
ihrer Bilanzen verbessern wollen. Gleichzeitig haben die Anleger großen Appetit
auf Neuemissionen sowie die Bereitschaft bewiesen, gefallene Engel zu halten.

Im Bereich
der Schwellenländeranleihen sollten sich unserer Auffassung nach
Unternehmensanleihen nun behaupten können, gestützt durch die geringeren
Investitionsausgaben und mehr finanzielle Disziplin. Genauer gesagt: Sinkende lokale Zinssätze bieten den Unternehmen in den
Schwellenländern die Möglichkeit, Anleihen in Hartwährung durch solche in
Lokalwährung zu ersetzen, was die Solidität ihrer Bilanzen verbessert. Zugleich
sind die Bewertungen attraktiv, denn die Renditedifferenz gegenüber
US-Unternehmensanleihen ist – bereinigt um die Duration – im historischen
Vergleich noch immer groß (ca. 316 Basispunkte). In den defensiven und
risikoarmen Profilen wurden jeweils 50 % und 100 % des aktuellen
Engagements in Schwellenländeranleihen (aktuell vollständig in Staatsanleihen
in Hartwährung investiert) in Schwellenländer-Unternehmensanleihen in
Hartwährung umgeschichtet.

SCHLUẞFOLGERUNG

Wäre die Wirtschaft ein Mensch, könnte man sagen, sie gähnt, räkelt und streckt sich geruhsam und denkt darüber nach, ob sie aufstehen soll, vielleicht mit dem Lied „Wake me up when September ends“ von Green Day im Hintergrund. Währenddessen zupfen und zerren die Zentralbanken und fiskalpolitischen Entscheidungsträger an der Bettdecke, um sie aus dem Schlaf zu reißen. Die Märkte werden von Hoffnung, Liquidität und der Dynamik getragen, scheinen aber zu übersehen, dass dies alles eine Weile dauern wird und nur ein Impfstoff (und natürlich dessen Wirksamkeit und das Vertrauen in ihn) die Weltwirtschaft davon überzeugen kann, aus dem Schlaf aufzuspringen.

Einschätzung: Gibt an, ob wir die Anlageklasse positiv, neutral oder mit Skepsis beurteilen |Änderung: Gibt an, wie sich unser Engagement seit der Sitzung des Ausschusses für Vermögensaufteilung im Vormonat verändert hat

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