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September 15, 2021

BILBoard September 2021 – Ein langsameres, stetigeres Wachstum

 

 

Eine der Fabeln von Äsop erzählt von einem Wettlauf zwischen einem schnellen Hasen und einer langsamen, aber beharrlichen Schildkröte. Es soll die Leser überraschen, wenn es der Schildkröte gelingt, den Hasen zu besiegen, ganz im Sinne der Redewendung „in der Ruhe liegt die Kraft“. Nach einem Wirtschaftsaufschwung, der die Analysten durch sein schieres Tempo überraschte, normalisieren sich die Wachstumsraten und es kommt seltener zu unerwartet positiven Entwicklungen in der Wirtschaft. Wir betrachten dies nicht als negativ, sondern sind überzeugt, dass sich die Wirtschaft nun in einem nachhaltigeren Tempo entwickelt. Im Hinblick auf die gesamtwirtschaftlichen Aussichten für die zweite Jahreshälfte sind wir weiterhin zuversichtlich.

Kurzfristig hindern Lieferkettenengpässe die Volkswirtschaften daran, ihr volles Potenzial zu entfalten. Unserer Ansicht nach wird sich die Nachfrage dadurch aber nur ins vierte Quartal dieses Jahres und ins Jahr 2022 verlagern und somit den Konjunkturzyklus verlängern. Von den Engpässen einmal abgesehen sind die entscheidenden Wachstumsfaktoren nach wie vor intakt:

  • Die Impfquoten steigen weiter an. Weltweit wurden mittlerweile 5,3 Milliarden Impfdosen verabreicht, und ein Impfstoff (BioNTech/Pfizer), der bislang nur per Notfallzulassung genehmigt war, hat nun die vollständige Zulassung der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) erhalten. Die zunehmende Verfügbarkeit von Impfstoffen konnte die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle offenbar wirksam verringern.
  • Es wird weiterhin Konjunkturanreize geben. In den USA hat der Senat ein Infrastrukturpaket im Wert von 1 Billion US-Dollar verabschiedet, über das bis zum 27. September vom Repräsentantenhaus abgestimmt wird. In Europa gab es im August die ersten Auszahlungen aus dem paneuropäischen Wiederaufbaufonds. Die anspruchsberechtigten Länder haben eine Vorfinanzierung in Höhe von rund 10–13 % ihres Anspruchs erhalten. Diese Gelder dürften bald in der Realwirtschaft ankommen. China hat angekündigt, seinen Mindestreservesatz für Banken zu senken und die Haushaltsausgaben zu erhöhen.
  • Die Geldpolitik bleibt vorerst unterstützend, doch sowohl die Anleger als auch die Zentralbanken sind sich im Klaren darüber, dass die gegenwärtigen Maßnahmen nicht endlos Bestand haben können, ohne dass die Inflation außer Kontrolle gerät. Der Verbraucherpreisindex (VPI) der Eurozone stieg im August um 3 %, während sich der zuletzt gemessene Anstieg in den USA auf 5,4 % belief (für Juli).

In Anbetracht dieser Lage ist nun mit einer Straffung der Geldpolitik zu rechnen. Die Bank of Korea war die erste wichtige asiatische Zentralbank, die ihren Leitzins (um 25 Basispunkte auf 0,75 %) erhöhte, während das in den Protokollen der Federal Reserve beschriebene Szenario eine langsamere Drosselung der Wertpapierkäufe ab diesem Jahr vorsieht. Nach restriktiven Äußerungen einiger Mitglieder des EZB-Direktoriums wurde die Renditekurve für europäische Staatsanleihen steiler, und die Anleger erhoffen sich nun von der nächsten geldpolitischen Sitzung am 9. September weitere Hinweise.

Eine Drosselung ohne Unruhe am Markt?

Auf dem Höhepunkt der Krise von 2020 vertraten die Zentralbanken den Standpunkt, dass sie „alles Notwendige“ unternehmen würden. So ergab sich eine verkehrte Welt mit negativen Renditen auf globale Schulden in Höhe von über 15 Billionen US-Dollar. Einige befürchten, dass die Zentralbanken derart in dieser bizarren Situation verfangen sind, dass eine Normalisierung schwierig wird. Unseres Erachtens ist die Fed jedoch in der Lage, ihre Wertpapierkäufe zu drosseln, ohne Unruhe am Markt zu verursachen. Erstens hat sich die Fed äußerst transparent verhalten und die Märkte auf eine allmähliche Verringerung der Wertpapierkäufe vorbereitet. Zweitens beruhigte die Fed die Märkte bei ihrer Konferenz in Jackson Hole, indem sie bestätigte, dass kein automatischer Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Drosselung und dem einer letztendlichen Erhöhung des Zielkorridors für die Federal Funds Rate besteht. Drittens hat das US-BIP infolge der beispiellosen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen beinahe wieder seinen Zehnjahresdurchschnitt von vor der COVID-19-Pandemie erreicht. 2013, als die letzte Drosselung der Wertpapierkäufe für Unruhe am Markt sorgte („Taper Tantrum“), lagen die Dinge anders: Damals hatte die Wirtschaft fünf Jahre gebraucht, bis sie wieder auf ihrem Entwicklungskurs von vor 2008 war. Und schließlich dürften auch die Reverse-Repo-Fazilität (RRP) und die ständige Repo-Fazilität (SRF) der Fed dazu beitragen, etwaige Auswirkungen auf die Liquidität abzumildern.

Aktien

Risikoanlagen entwickeln sich nach wie vor ausgezeichnet, auch wenn das Wachstum etwas nachlässt. Im August war der S&P 500 Index den siebten Monat in Folge im Plus – das ist seine längste Gewinnsträhne seit 2017. Einige nehmen an, dass die Höchstwerte (in Bezug auf Erträge, Wachstum usw.) bereits erreicht seien, unserer Auffassung nach werden Aktien jedoch durch die reichlich vorhandene Liquidität, ein immer noch starkes gesamtwirtschaftliches Umfeld und fiskal- sowie geldpolitische Maßnahmen weiterhin unterstützt. Zudem lässt eine weitere hervorragende Gewinnsaison im zweiten Quartal Gutes für künftige Korrekturen hoffen. Auf Sektorebene bevorzugen wir nach wie vor zyklische Aktien wie Basiskonsumgüter, Grundstoffe, Energie- und Finanztitel, wobei Letztere eine Absicherung gegen steigende Zinsen bieten.

Aus geografischer Sicht haben wir die USA, Europa und China übergewichtet. US-Unternehmen warteten in der Gewinnsaison für das zweite Quartal mit so vielen positiven Überraschungen auf wie nie zuvor, und die geplanten fiskalpolitischen Maßnahmen werden sich günstig auf Arbeitsmarkt, Wachstum und Aktien auswirken. Auch wenn das Verbrauchervertrauen in letzter Zeit nachgelassen hat, ist der Zuwachs bei den Lieferungen (1 % im Juli nach 0,6 % im Juni) ein Anzeichen dafür, dass die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstung den erwarteten Rückgang der Konsumausgaben ausgleichen und die Wirtschaft im dritten Quartal auf einem stabilen Wachstumskurs halten könnten. In den USA halten wir an unserem wertorientierten Anlageschwerpunkt fest, da die Zinsen unseres Erachtens steigen und dann Value-Aktien stützen könnten, sobald die Fed mit der Drosselung beginnt.

In Europa verlief die Gewinnsaison für das zweite Quartal ebenfalls besser als erwartet, und bislang hielten sich die Auswirkungen der Delta-Variante auf die Marktstimmung in Grenzen. Angesichts seiner Value-Merkmale ist Europa in der Regel ein Hauptbegünstigter von steigenden Inflations- und Zinserwartungen.

Das derzeitige Bewertungsniveau macht China noch interessanter als ohnehin schon, vor allem vor dem Hintergrund der längerfristigen Wachstumschancen in der Region, die auch ein stabiles Ertragsumfeld bietet. Die jüngsten Daten der Einkaufsmanagerindizes enttäuschten zwar, doch das ist unserer Auffassung nach hauptsächlich auf vorübergehende Faktoren wie Überschwemmungen und neue Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zur Eindämmung der Delta-Variante zurückzuführen. Natürlich stellt der gegenwärtige regulatorische Überhang ein gewisses Risiko dar, und wir können weitere politische Maßnahmen nicht ausschließen. Die Regulierung großer Technologieunternehmen und der „New Economy“ ist ein globales Thema, das auch in den USA und in Europa auf der Tagesordnung steht. Der Unterschied besteht darin, dass Peking zu einem anderen Kommunikationsstil griff, als ihn internationale Anleger gewohnt sind. Unserer Ansicht nach eröffnet die Volatilität, die sich daraus ergibt, jedoch Gelegenheiten.

Anleihen

Bei dieser Anlageklasse üben wir uns in Zurückhaltung, denn wir rechnen mit einem allmählichen Anstieg der Renditen, der mit der anhaltenden gesamtwirtschaftlichen Stärke einhergeht. Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen dürften weiter steigen, wenn auch nicht so stark wie bisher, und die europäischen Zinssätze werden sich wahrscheinlich in die gleiche Richtung entwickeln.

Wir bevorzugen Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating, obgleich sie enge Spreads aufweisen und überdurchschnittliche Renditen durch eine sorgfältige Auswahl und Carry erzielt werden müssen, sowie Hochzinstitel. Letztere stellen das beste Anlageuniversum für Investoren auf der Suche nach Rendite dar, da es nicht viele notleidende Anleihen gibt und die Zahl der Hochstufungen die Zahl der Herabstufungen inzwischen sowohl in Europa als auch in den USA um das Dreifache und damit stärker als jemals zuvor in den letzten zehn Jahren übersteigt.

Im Bereich der Schwellenländeranleihen geben wir weiterhin Unternehmensanleihen den Vorzug, da sie einen wirksameren Puffer gegen einen Anstieg der Realrenditen bieten und stabilere Kapitalflüsse aufweisen.

Rohstoffe

In einem von geldpolitischer Normalisierung und steigenden Zinsen geprägten Umfeld sind wir bei Gold vorsichtig. Öl schätzen wir weiterhin positiv ein. Obwohl davon auszugehen ist, dass die OPEC+ eine Erhöhung ihrer täglichen Fördermengen um 400.000 Barrel beschließen wird, tendieren Öl-Futures weiter nach oben. Die Nachfrage nach Öl dürfte sich in den kommenden Monaten weiter erholen, und Anleger beobachten die Ölpreise mit Argusaugen, nachdem der Sturm Ida mindestens 94 % der Offshore-Öl- und Gasförderung im Golf von Mexiko zum Stillstand gebracht hat.

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund unseres Basisszenarios, in dem wir von einem langsameren, aber anhaltenden Wachstum ausgehen, die Fed mit der Drosselung ihrer Wertpapierkäufe beginnt und die Inflation sich als relativ hartnäckig erweist, dürften die langfristigen Zinsen allmählich steigen. Wir sind jedoch nicht der Ansicht, dass höhere Kreditkosten das Wachstum gefährden. Da vermutlich noch einige Zeit ins Land gehen wird, bevor die Fed die Zinsen anhebt, wird die Renditekurve unserer Einschätzung nach von nun an möglicherweise steiler. Das deckt sich mit der von uns empfohlenen Übergewichtung von zyklischen Aktivaklassen und Value-Titeln.


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