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May 24, 2019

BILBoard Mai 2019 – In puncto Wachstum sind die Würfel zwar noch nicht gefallen, doch das Spielbrett birgt mehr Rutschen als Leitern

Das Leiterspiel zählt zu den beliebtesten Brettspiel-Klassikern weltweit. Die Spieler müssen dabei vom Startfeld über eine Kette von Spielfeldern, die üblicherweise im Zickzack gewunden ist, zum Zielfeld vorrücken, wobei sich ihnen eine Reihe von Rutschen und Leitern in den Weg stellt. Gewinner ist, wer als Erster das Zielfeld erreicht. Spieler, die das Glück auf ihrer Seite haben, landen nicht auf den Feldern mit Rutschen, die sie einige Felder zurückfallen lassen, sondern erreichen Felder mit Leitern, auf denen sie hinaufklettern und einige Felder in Richtung Ziel gutmachen können. Wenn man sich nun den derzeitigen Markt als Leiterspiel vorstellen würde, dann enthielte das Spielbrett im Hinblick auf Risikoanlagen wesentlich mehr Rutschen als Leitern. Zudem wären die Leitern unverhältnismäßig kürzer, das heißt das Aufwärtspotential für Risikoanlagen ist verhalten, wohingegen sich das Abwärtsrisiko als ziemlich gefährlich erweisen könnte. Aus diesem Grunde haben wir uns dazu entschieden, auf ein sichereres Blatt zu setzen und damit unser Risiko zu mindern, indem wir die Gewichtung unseres Aktienexposures von „neutral“ auf „untergewichtet“ herabgesetzt haben. Die Erlöse haben wir in als sicherer Hafen geltende Anlagen umgeschichtet, genauer gesagt in US-Treasuries und auf Euro lautende höchst liquide Instrumente von Emittenten mit guter Bonität.

Dieser Zug
erfolgte nach Erreichen der jüngsten „Rutsche“, nämlich der Entscheidung der
US-Regierung, weitere Zölle auf chinesische Importe zu erheben (Erhöhung von
10 % auf 25 % auf Waren im Wert von 200 Mrd. US-Dollar), was die
maßgeblichen Indizes in den roten Bereich absacken ließ (S&P 500
-2,5 %). China konterte diese Maßnahme seinerseits mit der Anhebung seiner
Zölle von 5 % auf 15 % auf US-Waren im Wert von 60 Mrd.
US-Dollar. Darin zeigt sich, dass im Handelsstreit zwischen den USA und China
für keine der beiden Seiten ein Remis zur Debatte steht und sich das Tauziehen
bei weitem nicht als schnelle Partie Dame gestaltet. Vielmehr erscheint es als
langwierige, auf Kalkül und Strategie beruhende Schachpartie, bei der beide
Spieler bei jedem Zug auf der Hut sein müssen. Solange sich hierbei keine kurzfristige
Lösung herauskristallisiert, wird sich an den Märkten weiterhin ein
Jo-Jo-artiges Auf und Ab bemerkbar machen. Langfristig werden die höheren Zölle
jedoch nicht ohne Folgen für das Wirtschaftswachstum bleiben. Eine Studie der
US-Notenbank in Zusammenarbeit mit der Princeton University und der Columbia
University ergab, dass mit den bisherigen Steuererhöhungen die Kosten für
US-Verbraucher um 1,4 Mrd. US-Dollar pro Monat gestiegen sind. Die höheren
Preise könnten ihrerseits die Konsumfreudigkeit der Verbraucher dämpfen, dabei
stellt der private Konsum das Rückgrat der US-Wirtschaft dar. Gleichzeitig
könnte dies zu einem Anstieg der Inflation führen, was in puncto Geldpolitik
potenziell eine Änderung der Spielregeln zur Folge haben könnte. Gegenwärtig
sitzt die Fed mit ihrer abwartenden Haltung in der Zwickmühle, insbesondere
angesichts der schwachen, unter dem 2 %-Ziel verharrenden Inflation und
der weltweit vorherrschenden Unsicherheitsfaktoren. Für das laufende Jahr
rechnen wir daher mit keinem Zinsschritt, wohingegen der Markt derzeit eine
Zinssenkung einpreist. Entsprechend besteht die Gefahr, dass dies die Märkte
auf dem falschen Fuß erwischen könnte, da die US-Wirtschaft – vom
Handelskrieg einmal abgesehen – mit einer Wachstumsrate von 3,2 % im
ersten Quartal weiterhin in guter Verfassung erscheint. Das Wachstum wird nach
wie vor von den Investitionen und dem Konsum getragen, und die Lage am
Arbeitsmarkt ist äußerst angespannt: Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei
3,6 % und damit auf dem niedrigsten Stand seit 1969.

In der
Eurozone gestaltet sich die Lage etwas prekärer, da der Fertigungssektor
(insbesondere in Deutschland) in großen Schwierigkeiten steckt. Die
Auftragszahlen bleiben aufgrund der schwankenden (Inlands- sowie
Auslands-)Nachfrage weiterhin gering. Die zahlreichen regional gestreuten
Risiken erinnern unterdessen ein wenig an die Schlangengruben aus den
Indiana-Jones-Filmen.

China brachte indes im ersten Quartal ein ansehnliches Wachstum von
6,4 % hervor, und die Konsenserwartungen gehen davon aus, dass es sich in
diesem Jahr bei rund 6,3 % stabilisieren dürfte. Die Industrieproduktion
und der Binnenkonsum konnten sich mit einem Anstieg um 8,5 % bzw.
8,7 % gut behaupten, während der Einkaufsmanagerindex wieder im expansiven
Bereich von über 50 Zählern liegt. Die Regierung setzt auf einen
pragmatischen Ansatz und hält die Wirtschaft des Landes am Laufen. So kaufte
Peking kürzlich zwecks Schadensbegrenzung in Folge der jüngsten Zollerhöhungen
sogar eine Reihe chinesischer Aktien auf.

Aktien

Insgesamt hat sich das Wachstum auf einem ansehnlichen Niveau einpendelt.
Auf diesem Stand dürfte es aller Erwartung nach weiter verharren, was Aktien
zugute kommen würde. Allerdings bestehen derzeit nicht viele Faktoren, die
Aktien weiteren Auftrieb verleihen könnten, und bis zur nächsten Leiter, die
wohl in der Berichtssaison zum ersten Quartal auf uns wartet, werden wir eine
Runde aussetzen müssen. Die Risiken scheinen unterdessen nicht abzureißen: Zu
den Hürden, die uns bevorstehen, zählen unter anderem der Brexit, die
Europawahlen mit dem drohenden Erstarken populistischer Außenseiterparteien und
der weitere protektionistische Kurs der USA mit all seinen Licht- und
Schattenseiten. Angesichts des asymmetrischen Risikoumfelds haben wir einen
Strategiewechsel vorgenommen und sind zu einer Untergewichtung in Aktien
übergegangen. Innerhalb dieses eingeschränkteren Universums bevorzugen wir
weiterhin US-Sektoren, in denen die Rezession nicht als unmittelbares Risiko
wahrgenommen wird, in denen die Gewinnerwartungen auf realistischere Stände
zurückgegangen sind (die Konsenserwartungen prognostizieren derzeit ein
4 %iges Wachstum der Gewinne je Aktie für den S&P 500) und in
denen die Preise durch eine Welle von Rückkäufen gestützt werden dürften. Den
größten Bogen machen wir derzeit um Europa. Neben den politischen Risiken
besteht auch die Gefahr, dass in Folge der Prüfung der potenziellen Bedrohung
für den US-Automobilsektor im Rahmen der US Section 232 die Erhebung
von Zöllen auf Automobilimporte veranlasst werden könnte. Dies könnte der
entscheidende Stein sein, der den wackeligen Jenga-Turm des europäischen
Fertigungssektors letztendlich zum Einsturz bringt. Hinzu kommt, dass auch
Finanzwerte, die einen beträchtlichen Anteil des europäischen Marktes ausmachen,
mit einer ganzen Fülle von Problemen zu kämpfen haben, darunter
Geldwäscheskandale, niedrige Zinsen, geringe Kreditnachfrage uvm.

Derzeit sind wir in Japan aufgrund seiner Sensitivität gegenüber dem
mikroökonomischen Zyklus und der schwachen Gewinnerwartungen untergewichtet.
Eine weitere dunkle Wolke am Horizont für die Region besteht in der für Oktober
festgeschriebenen Erhöhung der Verbrauchssteuer, die sich aller
Wahrscheinlichkeit nach negativ auf das Verbrauchervertrauen auswirken wird. Auch
in den Schwellenländern sind wir untergewichtet, da diese nach ihrer guten
Entwicklung wieder an Dynamik verloren haben. Der weitere Ausblick für die
Region wird in hohem Maße von den Ergebnissen der Handelsgespräche abhängen.

Nach Sektoren bleiben wir im Technologiesektor übergewichtet, was für unser
Gewinnwachstum förderlich ist. In Versorgern sind wir dagegen untergewichtet
und in den übrigen Sektoren neutral positioniert.

Festverzinsliche Anlagen

Nachdem wir die Erlöse aus den Verkäufen unserer Aktien in qualitativ
hochwertige, liquide Anleihen reinvestiert haben, ist unser Exposure in
festverzinslichen Anlagen nun neutral. Innerhalb dieser Portfoliokomponente
weisen wir weiterhin eine Untergewichtung in High-Yield-, Staats- und
Schwellenländeranleihen sowie eine Übergewichtung in
Investment-Grade-Unternehmensanleihen auf. Unser Leitmotiv besteht hier
weiterhin in der Qualität. Zudem haben wir unsere Risikoexposition durch
Umschichtung in Instrumente mit besserem Kreditrating sowie durch Reduzierung unseres
Engagements in hybriden Unternehmensanleihen und nachrangigen Finanzanleihen
minimiert. Der breitere Markt scheint diese Risikoaversion zu teilen, und
selbst während der jüngsten Rally sind die Anleger nicht konsequent in
riskantere Anleihen zurückgekehrt (wie sich am weiten Kreditspread zwischen
Anleihen mit A- und BBB-Rating zeigt). Insgesamt liegen die Spreads im
Investment-Grade-Segment im Bereich ihres jeweiligen historischen
Durchschnitts, und die Nachfrage ist groß. Selbst ohne das unsichtbare Zutun
der Zentralbanken hätten die Neuemissionen ohne weiteres vom Markt aufgenommen
werden können. Dessen ungeachtet ist jedoch keine Anlageklasse immun gegen die
Auswirkungen der Handelsgespräche, und die Spannungen könnten ebenso wie ein
Fluss an Neuemissionen zu einer erneuten Ausweitung der Spreads führen.

Unter dem Strich sind die Würfel also für unser Thema des globalen Wirtschaftswachstums noch nicht gefallen. Doch ist die Konjunkturverlangsamung gegenwärtig und schreitet immer weiter voran, so dass wir es angesichts der überwiegenden Risiken für angebracht hielten, auf ein sichereres Blatt zu setzen und unser Exposure gegenüber Risikoanlagen auf unterhalb der neutralen Schwelle zu senken.


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