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April 25, 2024

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BILBoard Mai 2024 – So sieht die Realität in puncto Zinssenkungen aus

In den vergangenen Monaten gab es eine ganze Reihe unerwartet guter Daten aus den USA, was die Theorie eines Szenarios ohne Landung weiter untermauert. Der Arbeitsmarkt ist stabil. Im März kamen 303.000 neue Stellen hinzu – so viele, wie seit zehn Monaten nicht mehr – und 8,76 Millionen Arbeitsplätze waren noch unbesetzt. Diese anhaltende Stärke ist ein Warnsignal im Hinblick auf die Inflationsentwicklung, denn sie könnte ein weiteres Nachlassen des Lohnwachstums verhindern und damit im personalintensiven Dienstleistungssektor die Preise steigen lassen. Auch die Nachfrage erweist sich als robust. Im Januar war im Nachgang der Feiertage ein leichter Rückgang zu verzeichnen, doch inzwischen sitzt das Geld bei den US-Verbrauchern wieder lockerer, und die Einzelhandelsumsätze im März lagen deutlich über den Prognosen (+4% gegenüber dem Vorjahr).

Im Moment ist die Inflation zweifellos noch nicht gebändigt. Der Anstieg der Verbraucherpreise zog im ersten Quartal an und lag im März bei 3,5 %, wobei die besonders hartnäckige Teuerung im Dienstleistungssektor mit 5,4 % immer noch überdurchschnittlich ausfällt. Auch steigende Rohstoffkosten könnten die Inflation in den kommenden Monaten noch befeuern.

Wenn Konjunktur und Inflation weiterhin überschießen, besteht das Risiko, dass die US-Notenbank eine restriktivere Haltung einnehmen muss, und ihr geldpolitischer Kurs ist nun weniger klar vorhersehbar. Jüngste Äußerungen von Fed-Vertretern legen nahe, dass sie bereit sind, das hohe Zinsniveau bei Bedarf länger aufrechtzuerhalten.

Der Markt ist hellhörig. Während zu Jahresbeginn für 2024 noch sechs oder sieben US-Zinssenkungen erwartet wurden, rechnet man jetzt nur noch mit zwei Zinsschritten ab September. Unserer Ansicht nach liegt dieser Zeitpunkt zu dicht an den Präsidentschaftswahlen, und die US-Notenbank könnte bereits im Juli eine Zinssenkung vornehmen. Ihre offizielle Zinsprognose („Dot-Plot“) sieht zwar aktuell drei Zinssenkungen für dieses Jahr vor, doch das Risiko einer Kürzung auf zwei steigt. Vieles hängt von den makroökonomischen Daten der nächsten Monaten ab.

Diesseits des Atlantiks zeigt die Wirtschaft im Euroraum Anzeichen für eine Stabilisierung, allerdings auf niedrigem Niveau. Die Angst vor einer Rezession lässt nach, und die Gasspeicher in Europa wiesen nach dem Winter noch einen Rekordfüllstand auf, was dafür spricht, dass die Energiekrise, die seit mehr als zwei Jahren die Region überschattete, nun überwunden ist. Laut Prognosen der WTO wird der weltweite Warenhandel dieses Jahr wieder wachsen, was der exportorientierten europäischen Wirtschaft zugutekommen dürfte. Unterstützung versprechen auch die allmähliche Erholung des Konsums im Laufe des Jahres 2024 und die Staatsausgaben (bis Ende 2023 waren erst 30 % der 800 Mrd. Euro des Rettungsfonds ausgezahlt worden). Fakt ist jedoch, dass die Konjunktur im Euroraum insgesamt schwächelt und 2024 nicht mit einem Aufschwung zu rechnen ist (die EZB hat ihre BIP-Wachstumsprognose für das Gesamtjahr auf nur noch 0,6 % nach unten korrigiert).

Der Euroraum ist zweifellos stärker auf eine Lockerung der Geldpolitik angewiesen als die USA. Die Inflation sinkt glaubhafter (im März auf 2,4 % gegenüber dem Vorjahr). Der Immobiliensektor steht unter starkem Druck, und die Nachfrage nach Unternehmenskrediten ließ im ersten Quartal deutlich nach, was zu einem Rückgang der Investitionen führen könnte. Ein Großteil des positiven Trends bei den Frühindikatoren ist der Zuversicht geschuldet, dass eine Atempause in Form niedrigerer Zinsen in Sicht ist.

Wir gehen daher davon aus, dass die EZB die Initiative ergreifen und im Juni mit Zinssenkungen beginnen könnte. Wenn die Fed dann weiter abwartet, besteht die Gefahr, dass der EZB weniger Handlungsspielraum bleibt... Senkt sie die Zinsen im Vergleich zu den USA zu stark, würde dies zu Abwärtsdruck auf den Euro führen und könnte die Inflation wieder anfachen (vor allem da Europa auf die weltweiten Energiemärkte angewiesen ist, auf denen die Preise in US-Dollar angegeben werden).

Neben der wachsenden Ungewissheit in Bezug auf die Geldpolitik stieg auch die geopolitische Unsicherheit. Wir behalten das Verhältnis zwischen dem Iran und Israel genau im Auge. Vorerst scheint die Gefahr einer massiven regionalen Krise gebannt zu sein, doch die Lage ist heikel und wir sind darauf vorbereitet, unsere Positionierung bei Bedarf jederzeit anzupassen.

Anlagestrategie

Im Wesentlichen haben wir Aktien neutral gewichtet (mit einer überproportionalen Allokation in risikoreicheren Werten). Nach einem schwungvollen Jahresauftakt hat sich an den Aktienmärkten eine gewisse Vorsicht breitgemacht. Ein weiterer Anstieg der Anleihenrenditen könnte sich zwar auf kurze Sicht als hinderlich erweisen, doch Aktien werden weiterhin durch die weltweit stabile Wirtschaftsentwicklung begünstigt, dank der die Gewinne gesichert sein dürften. Hinzu kommt, dass sich der sogenannte Fed-Put (die inoffizielle Stützung der Kurse durch die US-Notenbank) zwar verzögern könnte, aber nicht vom Tisch ist.

Unsere am stärksten übergewichtete Region sind nach wie vor die USA, obgleich wir dieses Engagement leicht verringert haben. Im Januar und Februar übertrafen weniger als 40 % der im S&P 500 vertretenen Unternehmen den Gesamtindex. Im März stieg dieser Anteil auf 60 %, da sich die Kursgewinne über die großen Technologieunternehmen hinaus ausweiteten. Durch den Verkauf unseres gleichgewichteten US-Aktienkorbs nehmen wir einen Teil der Gewinne mit und konzentrieren uns wieder auf größere US-Unternehmen mit einer vergleichsweise hohen Ertragssicherheit und reichlich liquiden Mitteln (mit denen sie besser für eine längere Hochzinsphase gerüstet sind).

Zu dieser Entscheidung trug auch bei, dass die makroökonomischen Daten aus den USA zwar unbestritten gut aussehen, die anziehende Konjunktur aber nicht allen Akteuren Auftrieb verleiht. Denn große Unternehmen stehen gut da, KMU hingegen weniger gut (so ist z. B. der NFIB Small Business Optimism Index auf den niedrigsten Stand seit 2012 gefallen). Analysten gehen davon aus, dass die Gewinne der sieben größten Wachstumsunternehmen im S&P 500 im ersten Quartal 2024 um 37 % steigen werden. Lässt man diese Unternehmen außen vor, ist mit einem Rückgang der Indexgewinne um 3 % zu rechnen.

Die Erlöse wurden dazu verwendet, unsere Untergewichtung in Europa zu verringern, wo sich der künftige geldpolitische Kurs der EZB klarer abzeichnet und die Daten offenbar ihre Talsohle erreichen. Wir waren auch zuversichtlich genug, um die Übergewichtung von Qualitätswerten innerhalb unserer europäischen Allokation abzubauen.

Auf Sektorebene liegt unser Schwerpunkt als Absicherung gegen die geopolitische Unsicherheit weiterhin auf dem Energiesektor. IT, Nicht-Basiskonsumgüter und Immobilien schätzen wir ebenfalls als attraktiv ein.

Im Anleihenbereich hat das Wiederaufleben des Szenarios längerfristig höherer Zinsen für einige Einbußen gesorgt. Bezüglich der Duration bleiben wir in Anbetracht der starken US-Wirtschaft derzeit bei einer neutralen Positionierung. Auf dem Markt für Staatsanleihen halten wir Europa, wo es im Einklang mit der Zinsentwicklung in den USA zu einem Abverkauf kam, für attraktiver. Denn aufgrund der schwächeren binnenwirtschaftlichen Fundamentaldaten dürften sich Renditeanstiege hier in Grenzen halten.

Am liebsten halten wir Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating (in Europa, wo uns die Bewertungen attraktiver erscheinen). Die Spreads sind eng, aber wir erkennen auf kurze Sicht keinen echten Auslöser für eine beträchtliche Spreadausweitung. Im Hochzinssegment bevorzugen wir die USA, wo die gesamtwirtschaftliche Lage stabiler ist und Refinanzierungswellen weniger Anlass zur Sorge geben. Obgleich die Bewertungen wirklich angespannt sind, dürften zusätzliche Erträge die Wertentwicklung antreiben, und die positive Dynamik könnte sich fortsetzen.

Die Aussichten für Gold sind inzwischen positiver, aber angesichts der hohen Preise ist es vermutlich sinnvoll, auf einen günstigeren Einstiegszeitpunkt zu warten.

Fazit

Da statt weltweiter Entwicklungen nun zunehmend nationale Faktoren Einfluss auf Preisprognosen haben, lässt das seit Jahren synchrone Handeln der Zentralbanken in den Industrieländern nun nach. Die Märkte, die ursprünglich damit gerechnet hatten, dass die Fed und die EZB Hand in Hand vorgehen und ab dem Sommer systematisch die Zinsen senken würden, wurden mit der Realität konfrontiert. Denn die guten Wirtschaftsdaten aus den USA trüben diese Einschätzung.

Der letzte Kilometer vor dem Erreichen des Inflationsziels von 2 % wird nicht so reibungslos wie eine Fahrt über die glatt asphaltierte Autobahn in Luxemburg verlaufen. Stattdessen wird sie einer Tour über eine holprige Offroad-Piste bei eingeschränkten Sichtverhältnissen gleichen. In den nächsten Wochen werden neue makroökonomische Daten wichtige Orientierungshilfen geben, während die aktualisierte Zinsprognose der Fed (die am 1. Mai herausgegeben wird) eher den Charakter eines offiziellen Wegweisers haben wird.

Während wir darauf warten, dass sich klarer abzeichnet, ob die US-Notenbank im Sommer mit Zinssenkungen beginnt, können sich die Märkte offenbar glücklicherweise mit der Vorstellung anfreunden, noch etwas länger mit höheren Zinsen zu leben, solange es den Unternehmen gelingt, passable Gewinne zu erwirtschaften.

Matrix der Vermögensaufteilung

Es sei darauf hingewiesen, dass wir auch die strategische Gewichtung von Aktien in risikoorientierten Strategien von 70 % auf 90 % angehoben haben. Die strategische Gewichtung von Anleihen wurde auf 10 % gesenkt.

Die strategische Gewichtung dient als langfristiger Fixpunkt, anhand dessen wir unsere taktischen Entscheidungen treffen (Übergewichtung bedeutet, dass der Anteil einer bestimmten Anlageklasse am Portfolio die für diese Anlageklasse festgelegte strategische Gewichtung übersteigt).

Die Umsetzung dieser Entscheidung erfolgt zeitnah im Einklang mit den Beschlüssen des Ausschusses und unter Berücksichtigung der Marktbedingungen.

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