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September 28, 2023

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BILBoard September 2023: Zinsgipfel in Sicht

Auch wenn die Zentralbanken noch wenige letzte Anpassungen vornehmen könnten, gehen die meisten Marktteilnehmer davon aus, dass der Höhepunkt bei den Zinsen in den USA und in Europa nun erreicht ist oder kurz bevorsteht. Die wichtigste Frage für Anleger ist nun, wie der Zinsgipfel aussehen wird. Die Notenbanker haben klar gemacht, dass wir uns von der Vorstellung eines nach beiden Seiten steil abfallenden Gipfels – wie bei den Toblerone-Riegeln – verabschieden können. Der Gipfel wird eher dem südafrikanischen Tafelberg ähneln: Die Zinsen werden nach einem steilen Anstieg so lange auf hohem Niveau verharren, bis sich die Entscheidungsträger sicher sein können, dass die Inflationsrisiken gebannt sind. Eine längere Phase höherer Zinsen wird das Wachstum belasten, bietet aber gleichzeitig neue Ertragschancen für Anleger.

Wie Klaas Knot, niederländischer Zentralbankpräsident und EZB-Ratsmitglied, es formulierte: Die EZB hat im Zinserhöhungszyklus nun die Phase der Feinabstimmung erreicht. Seit dem Sommer 2022 hat die Zentralbank die Zinsen zehn Mal angehoben und den Einlagensatz auf ein Allzeithoch von 4 % hochgeschraubt. Weitere Zinserhöhungen sind angesichts der sich verschlechternden makroökonomischen Bedingungen unwahrscheinlich, sofern kein unvorhergesehenes Schockszenario eintritt. Ebenso wie die PMI-Daten für das verarbeitende Gewerbe deuten jetzt auch die Einkaufsmanagerindizes für den Dienstleistungssektor in Europa auf eine Schrumpfung hin, während die Wirtschaft am Rande einer Rezession steht. Deutschland als traditionelle Wachstumslokomotive des Euroraums sieht sich mit einem Konjunkturabschwung konfrontiert und kämpft gleichzeitig mit anhaltenden Strukturproblemen, die der Krieg in der Ukraine zutage brachte. Trotz der schlechten Wachstumsaussichten sind die Inflation und das Lohnwachstum in der Eurozone immer noch zu hoch, und der Arbeitsmarkt ist nach wie vor außergewöhnlich stark. Auch wenn ein Anstieg der Arbeitslosigkeit auf den ersten Blick keine wünschenswerte Entwicklung wäre, belastet das Horten von Arbeitskräften die Produktivität (die EZB rechnet mit einem Rückgang um 0,2 % im Jahr 2023) und könnte eine Lohn-Preis-Spirale verstärken. Gleichzeitig haben Produktionskürzungen und die anziehende Nachfrage aus China den Rohölpreis auf über 90 US-Dollar pro Barrel steigen lassen. Diese Faktoren erhöhen das Risiko einer Stagflation, das die Aussichten für die Eurozone belastet, sodass Zinssenkungen in nächster Zeit unwahrscheinlich erscheinen. So sagte Frankreichs Notenbank-Gouverneur François Villeroy, dass es jetzt wichtiger sei, „die Kreditkosten für einen ausreichend langen Zeitraum hoch zu halten, als die Zinsen erneut deutlich anzuheben“, während Bundesbankpräsident Joachim Nagel erklärte: „Es wäre falsch, darauf zu spekulieren, dass auf ein Zinshoch bald Zinssenkungen folgen werden“.

In den USA scheint die Fed das Inflationsfeuer durch ihre Serie von Zinserhöhungen eingedämmt zu haben. Allerdings gibt es immer noch einige Glutnester (insbesondere im Dienstleistungssektor, wo die PMI-Daten darauf hindeuten, dass die Unternehmen ihre Preise angesichts der nach wie vor soliden Nachfrage schneller erhöhen). Der Dot Plot der Fed sieht daher für dieses Jahr noch eine letzte Zinserhöhung um 25 Bp. vor.

Die Kerninflation dürfte sich nach unserer Einschätzung weiter in die richtige Richtung bewegen: Die Kreditbedingungen sind restriktiv, die angehäuften Ersparnisse werden nach Schätzungen der Fed von San Francisco in diesem Quartal aufgebraucht, der Arbeitsmarkt schwächt sich allmählich ab, und Millionen von Amerikaner werden im Oktober die Rückzahlung ihrer Studienkredite wieder aufnehmen (was die monatlichen persönlichen Konsumausgaben um 0,6 Prozentpunkte belasten dürfte). Diese Faktoren sprechen für eine allmähliche Abschwächung der Nachfrage, die schließlich zur Abkühlung der Konjunktur beiträgt. Gemäß den Modellen der Fed ist die Inflation inzwischen vor allem nachfrage- und nicht angebotsgetrieben.

Allerdings hat die Konsumneigung der US-Haushalte die Volkswirte in diesem Jahr bereits überrascht, und es ist schwer abzuschätzen, wie lange sie anhalten wird, insbesondere da Thanksgiving, Black Friday und Weihnachten vor der Tür stehen. Angesichts der Widerstandsfähigkeit der Konjunktur deutet der Dot Plot* der Fed auf eine weitere vorsorgliche Zinserhöhung um 25 Bp. in diesem Jahr hin. Anschließend werden die Leitzinsen voraussichtlich noch längere Zeit im restriktiven Bereich bleiben. Die Projektionen für 2026 im Dot Plot zeigen einen Medianwert von 2,9 %. Damit liegen sie über dem „neutralen“ Zins (von 2,5 %), dem Zinsniveau, das die Wirtschaft nach Ansicht der Fed weder stützt noch bremst.

Anlagestrategie

Wenn die Zinsen längere Zeit hoch bleiben, wird sich dies auf das Wachstum auswirken, und wir halten an unserem vorsichtigen Ansatz beim Portfolioaufbau und der Untergewichtung von Risikoanlagen fest.

Die schwache Performance im August spricht dafür, dass die Aktienrally 2023 ins Stocken gerät, da sich die Marktteilnehmer nach der Euphorie über die Zukunft der künstlichen Intelligenz wieder auf die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Fundamentaldaten konzentrieren. Selbst positive Gewinnüberraschungen führten kaum zu Kursanstiegen, während Unternehmen bei den geringsten Enttäuschungen abgestraft wurden.

Vor diesem Hintergrund zahlte sich die Absicherung (von jeweils einem Drittel unseres Engagements in US-Aktien und in europäischen Aktien), die wir im August eingegangen waren, aus. Wir behalten diese Absicherung vorerst bei, da wir einen gewissen Schutz vor möglichen weiteren Abwärtsrisiken wünschen. Auf geografischer Ebene sind wir am stärksten in Europa untergewichtet. Bei US-Aktien sind wir leicht untergewichtet, in Japan, den Schwellenländern und China sind wir neutral positioniert. Bei den Anlagestilen legen wir den Fokus auf Qualität und nehmen bei Wachstumswerten im Vergleich zu Substanzwerten eine neutrale Haltung ein.

Die überraschend starke Konjunktur wurde vor allem vom Konsum angetrieben, und die konsumnahen Branchen trugen in der Berichtssaison für das zweite Quartal weltweit am meisten zu den Gewinnüberraschungen bei. Auf taktischer Basis bevorzugten wir im Sommer zwei Sektoren, die beide auf dieses Thema ausgerichtet sind: Basiskonsumgüter und Nicht-Basiskonsumgüter. Sollten wir Anzeichen für einen Rückgang der Nachfrage erkennen, werden wir unsere Positionierung entsprechend anpassen.

Da der größte Teil des Zinsanstiegs hinter uns liegt, sind die Aussichten für festverzinsliche Wertpapiere mit soliden Renditen attraktiv. Auch in diesem Monat konzentrierten wir uns darauf, Ertragschancen zu nutzen, indem wir unsere Gold-Position (eine Anlage, die keine Erträge abwirft) und unser Total-Return-Engagement weiter reduzierten und die Erlöse zur Aufstockung unserer Positionen in Investment-Grade-Anleihen verwendeten, diesmal in Form von variabel verzinslichen Anleihen, die eine etwas höhere Rendite als Geldmarktfonds bieten.

Längerfristig schätzen wir Staatsanleihen positiv ein (da sie bei einem Konjunkturabschwung Schutz bieten dürften) und würden attraktive Einstiegsniveaus zur Aufstockung unserer Positionen nutzen.

Bei Hochzinsanleihen bleiben wir untergewichtet. Während sich dieses Segment zuletzt recht gut entwickelt hat, gehen wir davon aus, dass die straffere Geldpolitik letztlich zu einem Anstieg der Spreads führen wird und die Abwärtsrisiken das Aufwärtspotenzial übersteigen. Auf dem Zinsgipfel (oder kurz vor dem Zinsgipfel) sind Kredite, die wie Sauerstoff für Unternehmen sind, weniger leicht verfügbar. In diesem Umfeld dürften Unternehmen geringerer Qualität die ersten sein, denen die Luft ausgeht.

* Ein vierteljährlich aktualisiertes Diagramm, das die Prognosen der einzelnen Fed-Vertreter für den Leitzins am Ende eines jeden Kalenderjahres zeigt.


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